Als ich Walter Kohl diesen Post in unserem gemeinsamen Mittelstandspodcast „Kohl und Schulz“ vorlese, rollen sich ihm der Fußnägel hoch. Denn hier wird laut ihm ganz bewusst ein Detailthema verwendet, das in der Tat ein schlechtes Beispiel für Nachhaltigkeit darstellt. Hybridfahrzeuge allein lassen allerdings keine allgemeine Schlussfolgerung auf Nachhaltigkeit zu. Die Definition dieses Geschäftsführers in Bezug auf Nachhaltigkeit hält Walter Kohl für sehr problematisch.
Was bedeutet Nachhaltigkeit wirklich?
Alle sprechen davon, doch was genau ist Nachhaltigkeit eigentlich? Die Definition auf Wikipedia liest sich nicht leicht, dennoch möchte in den Inhalt hier kurz wiedergeben. Wikipedia sagt folgendes: „Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung durch die Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit der beteiligten Systeme (vor allem von Lebewesen und Ökosystemen) gewährleistet werden soll.“ Vereinfacht gesagt: Nehmen Sie nicht mehr als Sie zurückgeben können bzw. nachwachsen kann. In diesem Zusammenhang muss ich auch an Westernfilme denken, die ich mir zwischendurch gerne anschaue. Sind die Ureinwohner des Landes dort auf Jagd, dann bedanken sie sich im Nachhinein immer bei dem Tier und verwenden wirklich alles von diesem. Sie jagen auch nur so viel, wie sie brauchen und nicht auf Vorrat. Walter Kohl spinnt mein Bild noch weiter. Er führt an, dass heute einige Milliarden mehr Menschen auf der Erde leben als noch vor 100 oder 200 Jahren. Der individuelle Wohlstand in Deutschland war noch nie so hoch wie heute. Um diesen zu halten, werden unglaublich viele Ressourcen verbraucht und letztlich landet ein Großteil davon, teils sogar teils unangetastet, auf dem Müll. Die logische Konsequenz ist, dass wir permanent das Konto der nachhaltigen Regeneration überziehen und der Planet darunter leidet.
Spannungsfelder der Nachhaltigkeit
In meiner Recherche zum Thema Nachhaltigkeit sind mir drei wesentliche Spannungsfelder aufgefallen, in denen sich die Menschen dahingehend bewegen. Es gibt die ökologische Nachhaltigkeit, die darauf abzielt, dass wir keinen Raubbau an der Natur betreiben, die ökonomische Nachhaltigkeit, in der es um dauerhaftes Wirtschaften mit gegebenen Mitteln geht und die soziale Nachhaltigkeit, über die häufig zu lesen ist: ein zivilisiertes Austragen von sozialen Spannungen, sprich die Debattenkultur. Sind diese drei Felder ineinander verzahnt, dann kann man von nachhaltigem Erfolg sprechen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass wir uns permanent nur auf die ökologische Nachhaltigkeit konzentrieren und die anderen beiden Felder außen vor lassen. Walter Kohl hat hierzu einige interessante Gedanken geäußert. Die Menschen haben bereits vor 20, 30 Jahren verstanden, dass Nachhaltigkeit ein zentrales Zukunftsthema ist und das politische, gesellschaftliche und gesundheitliche Wohl daran hängt. Deutlich wird das an den Börsen, wenn wir sehen, dass ein Unternehmen wie Tesla, und man mag jetzt von Elektromobilität halten was man will, heute eine höhere Bewertung hat als die Volkswagen-Gruppe, BMW und Daimler zusammen. Spätestens jetzt sollte man sich also fragen, ob der rein monetär getriebene betriebswirtschaftliche Denkansatz noch das Maß aller Dinge ist.
Betriebswirtschaftliches Umdenken ist gefragt
Der Hauptgrund, warum Nachhaltigkeit noch nicht auf allen drei Ebenen sattfindet, ist laut Walter Kohl, dass wir schlicht und einfach falsch ausgebildet sind. Die klassische Betriebswirtschaft, so wie er sie in den 80ern und seine Kinder aktuell gelernt haben, ist immer noch ein Shareholder Value getriebenes Modell. Dieses sei weiterhin darauf ausgelegt, dass die Firmen, salopp gesagt, für die Folgekosten des Drecks, den sie verursachen nicht haften. Wenn wir die betriebswirtschaftlichen Spielregeln ändern, würde es schlagartig Nachhaltigkeit geben. Deutlich wird das anhand eines Fußballbeispiels. Bei einem Fußballspiel ohne Abseitsfalle, stehen die Stürme alle konsequent im 16-Meter-Raum, bei einem Spiel ohne gelbe und rote Karten, könnten sich die Leute so lange foulen, wie sie wollten, ohne Folgen. Aber in dem Moment, in dem eine rote Karte oder die Abseitsfalle eingeführt werden, ändert sich das Spiel. Und genau das sieht Walter Kohl als Herausforderung in der Betriebswirtschaft. Schließlich können wir nicht erwarten, dass sich mit einer Betriebswirtschaft, die aus den 1950er-Jahren stammt, die Herausforderungen der kommenden 10 oder 20 Jahre meistern lassen. Wir nutzen ja auch sonst neue Methoden und Techniken.
Nachhaltigkeit ist kein Nachteil
Wer jetzt denkt, dass Nachhaltigkeit ein Nachteil für das Unternehmen ist, ist auf dem Holzweg. Denn es gibt mittlerweile zahlreiche Berichte und Studien wie zum Beispiel von der Landesbank Baden-Württemberg, die besagen, dass das Thema Nachhaltigkeit keine negativen Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg hat. Im Gegenteil, es wurde sogar belegt, dass die Renditen durch mehr Nachhaltigkeit steigen. Das steht momentan im Gegensatz dazu, was in der Betriebswirtschaft nach den alten Formeln definiert wurde. Allerdings nutzen viele Unternehmen Nachhaltigkeit nur für Marketingzwecke und betreiben sogenanntes „Greenwashing“. Hierzu das Beispiel McDonald´s, die auch eine „grüne Phase“ hatten – das Branding wurde nach und nach grüner und sollte Nachhaltigkeit suggerieren. Doch wirklich nachhaltig wäre das Unternehmen nur, wenn sie auch nachweisen können, dass ihre Beschaffung und die Landwirte, von denen sie die Produkte beziehen auch nachhaltig wirtschaften. Das bringt uns zum nächsten Punkt.
Transparenz und eine Generationenfrage
Viele Unternehmen scheuen sich nach wie vor transparent aufzuzeigen, woher ihre Rohstoffe stammen. Die Verbraucher erhalten nur in seltenen Fällen eine lückenlose Auflistung davon, doch gerade die jüngeren Generationen fordern das immer mehr. Bei der Fridays for Future Bewegung werfen uns Jugendliche bereits vor, dass wir ihre Zukunft zerstören. Walter Kohl gibt ihnen teilweise recht, denn Fakt ist, dass sich die Klimaziele nicht erreichen lassen, faule Kompromisse geschlossen werden und zu lange abgewartet wird. Er selbst war jahrelang in der Autoindustrie tätig und hat hier erlebt, dass Elektromobilität bereits vor zehn und mehr Jahren ein Thema war zum Beispiel bei Porsche. Doch das Projekt wurde immer wieder geschoben und geschoben, hing sozusagen an der Kante der Schubblade fest, weil der damalige Konzernvorstand der Meinung war, man brauche keine Elektromobilität und bleibe beim Verbrenner. Der Dieselskandal offenbarte dann, wie nachhaltig optimiert worden war: Messergebnisse waren verändert worden. Tesla kam auf den Markt und zog immer weiter an. Erst jetzt erkannte die Konzernspitze die Wichtigkeit des Themas und wollte sich endlich dahingehend verändern. Derzeit erleben wir eine ganze Generation an ManagerInnen und EntscheiderInnen, die erkennen muss, dass vieles, was in deren Vergangenheit richtig war, heute nicht mehr gilt. Nachhaltigkeit ist besonders eine Herausforderung bezüglich der Einstellung, nicht so sehr ein Faktenproblem. Es ist die Erkenntnis, dass die Antworten von gestern nicht mehr die richtigen für die Fragen von heute und morgen sind. Und an der Stelle sind Aktivitäten wie Fridays for Future richtig, denn ohne einen gewissen Schockeffekt sind wir leider zu bequem, etwas zu verändern.
Nachhaltigkeit und Unternehmen
Doch wie lässt sich Nachhaltigkeit in den Unternehmen anpacken? Wie kann man sich dem Ganzen nähern? Viele denken immer direkt an enorme und radikale Schritte, aber auch kleine Veränderungen können etwas bewegen. Was mir dazu beispielsweise einfällt, ist einmal durch die Büroräume zu laufen und zu schauen, wie viele Rechner permanent, auch über Nacht, laufen oder die Umstellung auf ein papierloses Office. Walter Kohl zeigt in diesem Zusammenhang drei Ansätze auf, wie man sich der Nachhaltigkeit nähern kann. Der erste liegt in vielen kleinen Dingen des Lebens. Dazu gehört zum Beispiel die Kreislaufwirtschaft. Das heißt wir können, wenn wir mit offenen Augen durch die Firma und auch durch unser Privatleben gehen, viel sparen, anders machen und Gewohnheiten ändern. Die zweite große Achse ist das Geschäftsmodell. Das ist Aufgabe des Managements. Walter Kohl stellt hier immer gerne die Frage, was man tun müsste, wenn man das Unternehmen in 100 Tagen verkaufen wollte. Umformuliert kann es dann heißen, was müssen wir tun, wenn wir gewisse Nachhaltigkeits-Standards in 100 Tagen erreichen wollen? Und dann gibt es eine dritte Betrachtung, die auf persönlicher Ebene stattfindet. Stellen Sie sich vor, Sie sind Geschäftsführer eines Unternehmens, was wollen Sie Ihren Enkeln in 20 Jahren sagen, wenn sie fragen, was Sie damals gemacht haben? Wollen Sie sagen, wir haben Shareholder Value optimiert oder etwas anderes? Zusammengefasst gibt es viele Dinge, die wir tun können. Es gibt das große Thema Geschäftsmodell, die grundsätzliche Ausrichtung und den persönlichen Spiegel mit dem Blick, was wir nachfolgenden Generationen hinterlassen möchten.