Die Illusion der Unverwundbarkeit
Führungskräfte gelten oft als besonders belastbar und leistungsfähig. Es gibt zahlreiche Beispiele von Menschen mit Führungsverantwortung, die mit wenig Schlaf auskommen, beim Ironman mitmachen und scheinbar nie Urlaub brauchen. In einer Studie des Instituts für deutsche Wirtschaft gab mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte an, dass sie auch außerhalb ihrer Arbeitszeiten erreichbar sein müssen. Dadurch nehmen sie auch weniger Urlaub. Dies erweckt den Eindruck, als wären sie von Natur aus robuster und weniger auf Erholung angewiesen. Doch diese Sichtweise ist trügerisch.
Es gibt kein Geheimnis, wie Führungskräfte diese Belastungen dauerhaft bewältigen können. Die vermeintlich übermenschlichen Fähigkeiten resultieren in Wirklichkeit oft aus einem konstanten Überschreiten der eigenen Grenzen. Was diese Menschen antreibt, sind häufig persönliche Ziele wie Geld, Macht, Kontrolle, Sicherheit und Anerkennung.
Der Teufelskreis der Selbstausbeutung
Diese Ziele sind an sich nicht verwerflich und können sogar motivierend wirken – sowohl auf die Führungskraft selbst als auch auf ihr Team. Sie führen auch dazu, dass Führungskräfte Überstunden machen, sich stark engagieren und stets das nächste Erfolgsgefühl suchen. Dies kann kurzfristig sehr gut funktionieren und beeindruckende Ergebnisse erzielen. Doch ohne regelmäßige Pausen und Erholungsphasen bleiben langfristige Schäden nicht aus.
Warnzeichen wie Selbstüberschätzung, Arroganz, Egoismus, Missgunst und unkontrollierbare Wut sind oft die ersten Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Statt innezuhalten und sich zu erholen, neigen viele dazu, sich durch äußere Einflüsse abzulenken – sei es durch ungesundes Essen, Alkohol, Zigaretten, Tabletten, Gaming oder Serien.
Der Körper zieht irgendwann die Notbremse
Ohne die notwendigen Pausen und Erholungsphasen setzt der Körper irgendwann selbst Grenzen. Aus zunächst eher harmlosen Symptomen wie Herzrasen, Kopfschmerzen, Nervosität und Schlafmangel können ernsthafte Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Bandscheibenvorfall und Burnout entstehen. An diesem Punkt wird es höchste Zeit, sich auf die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden zu konzentrieren.
Leider wird dies oft zu spät erkannt. Meditation wird als etwas für Weicheier abgetan, Sport als Mord und eine fleischfreie Ernährung als keine Lösung betrachtet. So werden auch die besten Führungskräfte langsam aber sicher zu unausstehlichen Menschen. Ihre Fehlertoleranz sinkt, bei den Mitarbeitenden verlieren sie Sympathiepunkte und ihre Ängste vor dem Ersetztwerden nehmen zu.
Der Preis des Erfolgs?
Im schlimmsten Fall finden sich Führungskräfte in einer Position wieder, in der sie außer ihrer beruflichen Stellung nichts mehr haben, für das es sich aufzustehen lohnt. Die Familie ist oft entfremdet, soziale Kontakte sind längst vernachlässigt und echte Freude wird zur Seltenheit. Diese Isolation und der ständige Druck führen nicht selten zu schweren psychischen Belastungen.
Statistiken zeigen, dass Männer dreimal häufiger Suizid begehen als Frauen. Obwohl spezifische Daten für Führungskräfte begrenzt sind, deuten allgemeine Trends darauf hin, dass Menschen in hochverantwortlichen Positionen anfälliger für psychische Belastungen und suizidale Gedanken sind.