Das Dilemma des Leitbilds: Wenn Worte nicht in Taten umgesetzt werden

Haben Sie sich jemals gefragt, warum in Unternehmen oft entweder an der Kultur oder an den Prozessen gearbeitet wird, aber selten an beidem gleichzeitig? Dieses Phänomen führt zu einer wichtigen Frage: Sind Leitbilder die Lösung für alles, was in Unternehmen schiefläuft?

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Also wenn Sie mich fragen: nein. Kulturveränderungen allein sind nicht der Schlüssel zur Lösung aller Probleme. Sie sind nicht der heilige Gral, wie viele annehmen. Ein Leitbild ist mehr als nur eine formelle Erklärung, es soll die Essenz der Unternehmenskultur und -werte widerspiegeln. Doch wenn dieses Leitbild nicht in den täglichen Prozessen und Strukturen des Unternehmens lebbar gemacht wird, entsteht ein signifikantes Problem, da seine Wirkung dann nicht spürbar ist.

Wo „smart“ im Unternehmen draufsteht, müssen auch Werte drin sein

Der Hauptgrund dafür liegt in der Glaubwürdigkeit und Authentizität des Unternehmens. Ein Leitbild, das großartige Ziele und Werte verkündet, aber im Arbeitsalltag keine Entsprechung findet, führt zu einer Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Diese Kluft kann zu tiefem Misstrauen und Frustration unter den Mitarbeitenden führen. Sie bemerken schnell, wenn die im Leitbild propagierten Werte nicht mit den tatsächlichen Arbeitsabläufen und Entscheidungen im Einklang stehen.

Darüber hinaus beeinträchtigt ein nicht umgesetztes Leitbild die Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden. Wenn Teammitglieder sehen, dass die hochgehaltenen Werte und Prinzipien des Unternehmens im täglichen Geschäftsbetrieb ignoriert werden, sinkt ihre Motivation, sich für diese Ziele einzusetzen. Dies führt zu einer abnehmenden Identifikation mit dem Unternehmen und kann letztendlich in einer höheren Fluktuation resultieren, was den Erfolg des Unternehmens gefährdet.

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Außenwirkung. Kunden und Geschäftspartner nehmen wahr, wenn ein Unternehmen seine eigenen Leitbilder nicht ernst nimmt. Dies kann das öffentliche Image und die Markenwahrnehmung schädigen. In einer Zeit, in der Konsumenten und Geschäftspartner zunehmend Wert auf Authentizität und soziale Verantwortung legen, kann eine solche Diskrepanz schwerwiegende Folgen für das Geschäft haben.

 

 

Wie wird ein Unternehmensleitbild zum Leben erweckt?

Um ein Leitbild wirksam zu machen, muss es in die alltäglichen Prozesse integriert werden. Es geht darum, konkrete Schritte zu unternehmen, um die im Leitbild verankerten Werte in die Praxis umzusetzen. Dies kann bedeuten, Arbeitsabläufe in klaren Schritten zu überdenken, Schulungen und Workshops zu den Leitbildthemen anzubieten oder Entscheidungsprozesse so anzupassen, dass sie die Leitbildwerte widerspiegeln. Nur so wird ein Leitbild zu einem lebendigen Bestandteil der Unternehmenskultur und trägt zu einer positiven Entwicklung des Unternehmens bei.

Leitbilder: Die zwei grundverschiedenen Beratertypen

In den meisten Unternehmen existiert eine klare Trennlinie zwischen Kultur- und Prozessberatungen. Diese Aufteilung hat weitreichende und oft negative Konsequenzen für die Organisation.

Einerseits gibt es die Strukturveränderer, die Experten für Prozessoptimierung sind. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Effizienzsteigerung und Optimierung von Arbeitsabläufen. Während diese Herangehensweise unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll erscheinen mag, berücksichtigt sie häufig nicht die Auswirkungen auf die Unternehmenskultur und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Der Fokus auf Prozesse kann dazu führen, dass die menschliche Komponente – die Emotionen, Werte und sozialen Beziehungen innerhalb des Unternehmens – vernachlässigt wird. Dies kann zu Frustration, Demotivation und einem Gefühl der Entfremdung unter den Mitarbeitenden führen. In extremen Fällen kann eine rein prozessorientierte Herangehensweise sogar das gegenseitige Vertrauen untergraben und zu einem toxischen Arbeitsumfeld beitragen.

Auf der anderen Seite stehen die Kulturberater, die sich auf die Entwicklung und Pflege der Unternehmenskultur konzentrieren. Sie arbeiten an Werten, Einstellungen und dem zwischenmenschlichen Miteinander. Diese Experten verstehen es zwar, ein positives und inspirierendes Arbeitsumfeld zu schaffen, aber ihre Bemühungen können ins Leere laufen, wenn die Prozesse im Unternehmen nicht mit der kultivierten Wertestruktur übereinstimmen. So können zum Beispiel Fortbildungen zur Teamarbeit und Kommunikation wenig bewirken, wenn die Arbeitsprozesse Wettbewerb statt Kooperation fördern.

Das Problem entsteht, wenn Unternehmen versuchen, diese beiden Aspekte getrennt voneinander zu behandeln. Die Prozessoptimierer verändern Strukturen, ohne die kulturellen Auswirkungen zu bedenken, und die Kulturberater versuchen, eine positive Kultur aufzubauen, ohne die zugrundeliegenden Prozesse zu berücksichtigen. Dies führt zu einem Zyklus, in dem Prozessänderungen zu kulturellen Spannungen führen und kulturelle Initiativen an ineffizienten Prozessen scheitern.

Dieses Vorgehen ist ineffizient und kostspielig. Unternehmen, die sich ausschließlich auf Prozess- oder Kulturberatung konzentrieren, haben am Ende oft mehr Stress und Probleme als zuvor. Der Schlüssel liegt in der Integration beider Elemente: Kultur und Prozesse müssen zusammen gedacht werden, um ein gemeinsames Selbstverständnis zu schaffen.

Wie bekommen Sie die Kultur in die Prozesse und die Prozesse in die Organisation?

Dafür müssen Unternehmen einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, der sowohl Kultur als auch Prozesse berücksichtigt und eine klare Orientierung bietet. Es ist entscheidend, dass Veränderungen in den Prozessen Hand in Hand mit der Entwicklung der Unternehmenskultur gehen. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Prozess- und Kulturberatern sowie ein tiefes Verständnis dafür, wie Prozesse und Kultur sich gegenseitig beeinflussen und stärken können.

Fazit zum Leitbild-Dilemma

Die wirkliche Herausforderung liegt nicht im Ergebnis der Leitbilderstellung, sondern im Prozess selbst. Es ist entscheidend, Struktur und Kultur in Einklang zu bringen. Wenn diese beiden Aspekte nicht gemeinsam gedacht und umgesetzt werden, frisst sich die in das Leitbild gesteckte Arbeit selbst auf. Ein partizipativer Ansatz in der Leitbildentwicklung ist daher unerlässlich.

Ben Schulz
Autor: Ben Schulz

Ben Schulz ist Sparringspartner für Geschäftsführer und Führungsteams in klein- und mittelständischen Unternehmen, wenn es um deren Strategie und Transformationsprozessen geht. Der Vorstand des Beratungshauses Ben Schulz & Partner AG legt den Schwerpunkt seiner Tätigkeit, gemeinsam mit seinem Team, auf die Schwerpunkte Unternehmensleitbildentwicklung, Kulturwandel, Führungskräfteentwicklung und strategischen Unternehmersparrings, bei denen es um die Steigerung von Perfomance geht.




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